Das Buch Esther berichtet von einer Zeit, in der das jüdische Volk vor der völligen Vernichtung stand. Inmitten einer bedrohlichen Situation – als Haman, der böse Berater des persischen Königs, einen Vernichtungsplan schmiedete – nutzte die junge Jüdin Esther ihre Position, da sie durch Gottes Fügung zur Königin des persischen Reiches wurde. Gemeinsam mit ihrem Verwandten Mordechai gelang es ihr, den finsteren Plan zu vereiteln und das Volk zu retten. Damit wurde ein Fest der Freude eingesetzt, wie es in Ester 9 beschrieben wird:
Darum werden diese Tage Purim genannt, nach dem Wort »Pur«. Deshalb, wegen alles dessen, was in dem Schriftstück stand, und was sie selbst gesehen und erfahren hatten, setzten die Juden dies fest und nahmen es als Brauch an für sich und ihre Nachkommen und alle, die sich ihnen anschließen würden, dass sie nicht davon abgehen wollten, jährlich diese zwei Tage zu feiern, wie sie vorgeschrieben und bestimmt worden waren.
Ester 9:26-27
Dieses Fest feiern wir heute im Gedenken an diese Errettung. Diese Errettungsgeschichte zeigt uns, dass Gott in den dunkelsten Zeiten eingreift und durch mutige Menschen wie Ester und Mordechai die Rettung seines Volkes bewirkt. Purim ist somit nicht nur ein Fest des Gedenkens, sondern auch ein Aufruf, in Zeiten der Not zusammenzustehen und füreinander da zu sein.
Ester und Mordechai verkörpern in ihrer Haltung den unerschütterlichen Glauben und den Mut, der auch heute in uns weiterleben soll. Nicht die Angst trieb Ester an, sondern die Liebe zu JHWH und dem Volk Gottes. Furcht ist ein schlechter Antrieb, doch Liebe ist das, was uns alle antreiben soll. Liebe ist sozusagen das Benzin, dass unseren Motor laufen lässt. Liebe ist, was jede Angst vertreibt.
Geliebte, lasst uns einander lieben! Denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott. Wer nicht liebt, der hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. Darin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe — nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn gesandt hat als Sühnopfer für unsere Sünden. Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, so sind auch wir es schuldig, einander zu lieben. […] Darin ist die Liebe bei uns vollkommen geworden, dass wir Freimütigkeit haben am Tag des Gerichts, denn gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat mit Strafe zu tun; wer sich nun fürchtet, ist nicht vollkommen geworden in der Liebe. Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: »Ich liebe Gott«, und hasst doch seinen Bruder, so ist er ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann der Gott lieben, den er nicht sieht? Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll. Jeder, der glaubt, dass Jeschua der Gesalbte ist, der ist aus Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der aus Ihm geboren ist. Daran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.
1.Johannes 4:7-5:3
Johannes hebt hier die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten und die Liebe zu Gottes Geboten hoch und lehrt, dass dies essentiell für uns ist. Lieben wir Gott, lieben wir auch selbstverständlich unsere Nächsten und Gottes Gebote – wir nehmen es an. Wie wir diese Liebe entfalten können – eine Möglichkeit – möchte ich heute beleuchten.
Wie gesagt, liebte Ester ihr Volk und auch Gott. Sie setzte sich trotz großer Gefahr für ihr Volk ein, und ruft uns damit auch dazu auf, unsere Berufung im Licht Gottes zu erkennen:
[…] Und wer weiß, ob du nicht gerade wegen einer Zeit wie dieser zum Königtum gekommen bist?«
Ester 4:14
Auch Mordechai, der immer an Esters Seite stand und mit weiser Entschlossenheit agierte, zeigt uns, dass Wachsamkeit und Treue im Glauben unerlässlich sind. Diese Beiden sind nicht nur Helden, sondern Vorbilder – sie erinnern uns daran, dass jeder von uns durch aktives Handeln und tiefes Vertrauen in Gott einen Beitrag zur Rettung und Erneuerung der Gemeinschaft leisten kann.
Ein zentrales Element des Purimfestes ist die Vorschrift der „Matanot le Ewijonim“, also das Geben von Almosen an die Armen. Oft wird es traditonell auch mit „Mischloach Manot“, der allgemeinen Pflicht, Geschenke zu machen, gleichgesetzt. Dieses Gebot, das direkt aus der Erzählung des Buches Ester hervorgeht, soll sicherstellen, dass auch die Bedürftigen am Fest teilhaben und Freude erleben können.
Als die Tage, an denen die Juden vor ihren Feinden zur Ruhe gekommen waren, und als den Monat, in welchem ihr Kummer in Freude und ihre Trauer in einen Festtag verwandelt worden war; dass sie diese feiern sollten als Tage des Gastmahls und der Freude, an denen sie einander Geschenke machen und die Armen beschenken sollten.
Ester 9:22
Diese Form der Nächstenliebe steht in enger Verbindung zur biblischen Praxis des Zehnten.
Alle Zehnten des Landes, sowohl von der Saat des Landes als auch von den Früchten der Bäume, gehören JHWH; sie sind JHWH heilig.
3.Mose 27:30
Der biblische Zehnte wurde als Abgabe der Ernte eingeführt und war dazu gedacht, die Armen, Witwen und Waisen, die Lewiten und die Priester zu versorgen. Die Lewiten waren dabei hauptverantwortlich, sozusagen wie die Diakone der Apostelgeschichte, damit damals eben die Armen versorgt waren.
Der Zehnte war aber nie ein Zehnter, sondern drei Zehnte und diese waren immer an das spezifische Ernteergebnis, das Land Israel und das Priestertum Aarons gebunden. Da diese Voraussetzungen in der heutigen Zeit nicht mehr gegeben sind, treten die Zehnte in den Hintergrund und das Almosengeben tritt als flexibler und lebendiger Ausdruck der Nächstenliebe an die Stelle der drei Zehnte. Almosen sorgen dafür, dass die Bedürftigen – die Armen, aber auch die, die das Wort Gottes verkünden – unmittelbar versorgt werden. Mehr über den Zehnten, bzw. die unterschiedlichen Zehnte findet man unter https://bibel-lernen.de/die-zehnte.
Die Entwicklung der Praxis des Gebens lässt sich auch in den deuterokanonischen Schriften nachverfolgen. Die deuterokanonischen Schriften, sind zwischenkanonische Schriften, die zwischen der Zeit des Tanach (altes Testament) und der Zeit Jeschuas (Schriften des erneuerten Bundes / neues Testament) geschrieben wurden. Vielen sind diese Schriften auch als Apokryphen aus der Lutherbibel bekannt. Während die Zehnte als fester Bestandteil des biblischen Gottesdienstes diente, rücken die deuterokanonischen Texte wie Tobit und Sirach immer wieder das direkte Geben von Almosen in den Vordergrund. Zu dieser Zeit ersetzte Almosen nicht die Zehnte, sondern diente der Ergänzung.
Gedenke JHWH, mein Kind, dein Leben lang und hüte dich, jemals in eine Sünde einzuwilligen und seine Gebote zu übertreten. Alle Tage deines Lebens übe Gerechtigkeit und wandle nicht auf den Wegen der Ungerechtigkeit. Denen, die Wahrheit tun, werden ihre Werke gelingen. Und allen, die Gerechtigkeit tun, gib Almosen von deinem Hab und Gut. Dein Auge soll niemals neidisch sein, wenn du Almosen gibst. Und wende dein Angesicht auch nicht von einem einzigen Armen ab, dann wird sich das Angesicht Gottes auch nicht von dir abwenden. Nach deinem Vermögen gib Almosen; auch wenn du nur wenig hast, scheue dich nicht, wenig Almosen zu geben. So wirst du dir einen guten Schatz für den Tag der Not sammeln. Denn Almosen retten vom Tode und bewahren vor der Finsternis. Almosen sind ja eine gute Gabe für alle, die sie vor dem Höchsten geben. […] Teile dein Brot mit dem Hungrigen und von deinen Kleidern gib den Nackten. Alles, was du im Überfluss hast, gib als Almosen. Und dein Auge blicke nicht neidisch, wenn du Almosen gibst. Verteil dein Brot beim Grab der Gerechten und gib es nicht den Sündern. Suche Rat bei den Weisen und verachte keinen nützlichen Rat.
Tobit 4:5-18
Tobias, der Vater von Tobit gab seinem Sohn diese Worte als Rat. Er lehrt ihn, Almosen zu geben, er lehrt ihn auch, lieber wenig als gar nichts zu geben. Zentral aber ist die Aussage, dass Tobit sich einen guten Schatz für den Tag der Not sammeln wird und es ihn vom Tode retten und vor der Finsternis bewahren wird, wenn er Almosen gibt. Konventionelle Christen werden nun womöglich entrüstet aufschreien „Wie kann er nur, er lehrt Werksgerechtigkeit!“, oder „Man kann sich Errettung nicht erkaufen!“, doch ist der Kontext entscheidend.
Ein Gebet in Wahrheit und Almosengeben in Barmherzigkeit sind besser als Reichtum in Ungerechtigkeit. Almosen geben ist besser, als Gold anzuhäufen. Barmherzigkeit errettet vom Tode, und sie reinigt von jeder Sünde. Wer Barmherzigkeit übt, wird mit Leben gesättigt. Wer aber Sünde und Unrecht tut, bringt sich selber um sein Leben.
Tobit 12:8-10
Beim Almosengeben geht es keineswegs darum, sich durch einen bestimmten Geldbetrag die Errettung zu erkaufen. Man kann sich keine Errettung kaufen, wie es manche Kirchen und Sekten lehren. Vielmehr geht es darum, seinen Glauben lebendig zu praktizieren und sich in Barmherzigkeit zu üben. Es geht hier um gelebte Nächstenliebe. Auch Ben Sira ging in seinem Buch darauf ein.
Ohne Augen siehst du das Licht nicht; ohne Erkenntnis lehre nicht. Ein starrköpfiger Mensch nimmt ein schlimmes Ende, und wer die Gefahr liebt, kommt darin um. Ein starrköpfiger Mensch macht es sich selber schwer, und der Sünder häuft Sünde auf Sünde. Gegen Hochmut ist kein Kraut gewachsen, die Pflanze des Unheils wurzelt ja in ihm. Ein vernünftiger Mensch lernt Weisheitssprüche, und wer nach Weisheit strebt, hört aufmerksam zu. Wie das Wasser ein brennendes Feuer löscht, so tilgt das Almosen die Sünden. Der die Wohltaten vergilt, wird dereinst ihrer gedenken, und wer fällt, wird eine Stütze finden. 1 Mein Kind, lass den Armen nicht Not leiden, und verschließe nicht deine Augen vor den Bedürftigen. Verachte den Hungrigen nicht, und betrübe den Menschen nicht in seiner Armut. Einem betrübten Herzen füge nicht noch mehr Leid zu, und versage deine Gabe dem Bedürftigen nicht. Die Bitte des Elenden schlage nicht ab, und wende dein Angesicht nicht von dem Armen. Wende deine Augen nicht von dem Bittenden, und gib ihm keinen Anlass, dir zu fluchen. Denn der ihn gemacht hat, erhört sein Gebet, wenn er mit bitterem Herzen dich verflucht. Mach dir Freunde in der Gemeinde, und vor einem Großen beuge dein Haupt. Höre den Armen an, und antworte ihm freundlich und sanft. Rette den, dem Gewalt geschieht, vor dem, der ihm Unrecht tut; und sei unerschrocken, wenn du urteilen sollst. Sei zu den Waisen wie ein Vater, und tritt für ihre Mutter ein, als wärst du ihr Mann; so wirst du sein wie ein Sohn des Allerhöchsten, und er wird dich mehr lieben, als deine Mutter dich liebt.
Sirach 3:25-4:10
Natürlich kann das Almosengeben auch hier nicht wortwörtlich irgendwelche Sünden auslöschen. Aber wenn wir Almosen geben, erfüllen wir Gottes Willen – und in dem wir Gottes Willen erfüllen, machen wir das Gegenteil dessen, was notwendig ist, um zu sündigen. Ben Sira war ein Priester, der die Almosen als Bestandteil des JHWH wohlgefälligen Lebens betrachtete. In seinen Augen war das Almosengeben nicht nur gelebte Nächstenliebe und Barmherzigkeit, sondern auch eine wichtige Übung der Demut.
Versündige dich nicht an deinen Mitbürgern und erniedrige dich nicht selbst vor der Menge. Begeh eine Sünde nicht zweimal, denn schon für das erste Mal bleibst du nicht ungestraft. Denke auch nicht: Er wird schon auf die Fülle meiner Gaben schauen und mich annehmen, wenn ich dem Allerhöchsten opfere. Sei nicht halbherzig in deinem Gebet, und säume nicht, Almosen zu geben. Einen bekümmerten Menschen verlache nicht; denn es gibt einen, der kann erniedrigen und erhöhen. Streu keine Lügen über deinen Bruder aus und auch nicht über deinen Freund. Gewöhne dich nicht an die Lüge; denn diese Gewohnheit bringt nichts Gutes. Sei nicht schwatzhaft im Kreis der Ältesten, und wenn du betest, mach nicht viele Worte. Verachte die beschwerliche Arbeit nicht noch den Ackerbau, den der Höchste gestiftet hat. Hoffe nicht, in der Menge der Sünder zu verschwinden; bedenke, dass sein Zorn nicht auf sich warten lässt. Darum demütige dich von Herzen; denn Feuer und Würmer sind die Strafe für die Gottlosen.
Sirach 7:7-17
Auch Jeschua mahnte seine Nachfolger zur Demut – gerade auch in finanziellen Aspekten. So warnte er explizit davor, nicht dem Mammon zu dienen, sondern JHWH zu dienen.
Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn ihr Mangel habt, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten! Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht. Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu wart, wer wird euch das Wahre anvertrauen? Und wenn ihr mit dem Gut eines anderen nicht treu wart, wer wird euch das Eure geben? Kein Knecht kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!
Lukas 16:9-13
Dem aufmerksamen Leser wird bereits jetzt womöglich nicht entgangen sein, dass wir zwischen der Sprache und Formulierung der deuterokanonischen Schriften und den Aussprüchen von Jeschua oder auch Paulus und anderen Aposteln viele Ähnlichkeiten finden können. Letztlich reihte sich Jeschua mit diesen Worten mit Lehrern wie seinem Namensvetter Jeschua Ben Sira in eine Reihe ein. Denn auch er warnte vor dem Reichtum.
Wachen um des Reichtums willen verzehrt den Leib, und die Sorge darum hält den Schlaf fern. Wenn einer wach liegt und sich sorgt, kann er nicht einschlafen, und schwere Krankheit verscheucht den Schlaf. Der Reiche müht sich, Geld anzuhäufen, und wenn er ausruht, kann er’s auch genießen. Der Arme müht sich und lebt doch kärglich, und wenn er ausruht, wird er zum Bettler. Wer das Geld liebt, wird nicht gerechtfertigt, und wer Gewinn sucht, geht in die Irre. Viele kommen zu Fall um des Geldes willen, und ihr Verderben steht ihnen vor Augen. Die danach trachten, kommen darüber zu Fall, und die Unverständigen verfangen sich darin. Wohl dem Reichen, der untadelig befunden wird und nicht das Geld sucht! Gibt es den? Ihn wollen wir loben, denn er tut große Dinge unter seinem Volk. Wer bewährt sich darin bis ans Ende? Der soll gelobt werden. Wer konnte das Gesetz übertreten und tat’s doch nicht, konnte Böses tun und tat’s auch nicht? Deshalb werden seine Güter sicher bleiben, und die Gemeinde wird seine Almosen preisen.
Sirach 31:1-11
Wer den Gewinn sucht, wird also in die Irre gehen und wer Geld liebt, kann nicht gerechtfertigt werden. Diese Worte sind schon deutlich älter als Jeschua oder Ben Sira, denn schon in den Sprüchen lesen wir zu diesem Thema wichtige Worte.
»Zweierlei erbitte ich mir von dir, das wollest du mir nicht versagen, ehe ich sterbe: Falschheit und Lügenwort entferne von mir; Armut und Reichtum gib mir nicht, nähre mich mit dem mir beschiedenen Brot; Dass ich nicht aus Übersättigung dich verleugne und sage: Wer ist JHWH?, Dass ich aber auch nicht aus lauter Armut stehle und mich am Namen meines Gottes vergreife!«
Sprüche 30:7-9
Wir erkennen also, dass dieses Thema sich wirklich vom Tanach, über die deuterokanonischen Schriften hin zu den Schriften des erneuerten Bundes durchzieht. Es gibt noch weitere Verse, die das unterstreichen, dass das Geben an den Bedürftigen ein Zeichen wahrer Treue zu Gottes Geboten ist. Diese Schriften zeigen uns, dass die Verpflichtung zum Almosengeben in der gesamten israelitischen, jüdischen und frühen christlichen Tradition tief verankert war.
Diese Übergänge in der Geschichte des Gebens verdeutlichen, dass das Almosengeben nicht nur eine formale Pflicht war, sondern stets als lebendiger Ausdruck des Glaubens und der Nächstenliebe verstanden wurde. In den Schriften des erneuerten Bundes wird die Notwendigkeit des Almosengebens als essenzieller Ausdruck eines lebendigen Glaubens ebenso hervorgehoben. Auch Jeschua berief sich darauf, dass man sich durch Almosen im Himmel Schätze sammeln könne und bestätigte damit also, was Tobit und Ben Sira lehrten.
Verkauft eure Habe und gebt Almosen! Macht euch Beutel, die nicht veralten, einen Schatz, der nicht vergeht, im Himmel, wo kein Dieb hinkommt und keine Motte ihr Zerstörungswerk treibt. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.
Lukas 12:33-34
Doch gab Jeschua dem Almosengeben einen wichtigen Rahmen, den zu seiner Zeit die Pharisäer bzw. Rabbaniten missachteten. Wie wir in den deuterokanonischen Schriften lesen konnten, wurden damals große Spender geehrt, doch dies nahm im damaligen Judentum solche Ausmaße an, dass die Almosen nicht mehr für JHWH und die Nächsten gegeben wurden, sondern dem Zweck dienten, sich einen Namen zu machen. Noch heute gibt es solche Praktiken im rabbanitischen Judentum und Jeschua warnte eben vor diesem Verhalten.
Habt acht, dass ihr eure Almosen nicht vor den Leuten gebt, um von ihnen gesehen zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du nicht vor dir her posaunen lassen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gepriesen zu werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon empfangen. Wenn du aber Almosen gibst, so soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, damit dein Almosen im Verborgenen ist. Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, er wird es dir öffentlich vergelten.
Matthäus 6:1-4
Auch manche christlichen Kirchen praktizieren so etwas, in dem sie beispielsweise in Gottesidesten zu sichtbaren Kollekten aufrufen, wo die Gottesdienstbesucher sichtbar ihr Geld in einen Korb werfen müssen oder Geldscheine in die Höhe halten sollen, damit das Geld vom Pastor gesegnet werden könne.
Wir können noch so viel Geld spenden – wenn es nicht aus freien Stücken geschieht, wenn es geschieht, um gesehen zu werden oder wenn es aus dem Antrieb geschieht, sich einen Vorteil bei Gott zu kaufen, dann ist es nichtig. Es geht nicht darum, gesehen zu werden und es geht nicht um die Höhe des Betrages.
Als er aber aufblickte, sah er, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten legten. Er sah aber auch eine arme Witwe, die legte dort zwei Scherflein ein; und er sprach: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle! Denn diese alle haben von ihrem Überfluss zu den Opfergaben für Gott beigetragen; sie aber hat aus ihrer Armut heraus alles eingelegt, was sie zum Lebensunterhalt besaß.
Lukas 21:1-4
Die Apostel und frühen Nachfolger Jeschuas erkannten ebenfalls, dass das Almosengeben nicht nur eine Pflicht, sondern ein Zeichen gelebter Liebe und Solidarität ist. Auch Paulus lehrte vom Almosengeben, teilweise etwas indirekt, dafür in geistgeführter Voraussicht auf die Zeit, in der es keinen Tempel mehr geben würde. Ohne Tempel brach das Priestertum damals ein – jedoch erst Jahrzehnte später. Die Urgemeinde baute sich jedoch noch zur Zeit des Tempels ihre Parallelstrukturen auf, setzte Diakone ein und versorgte selbst die Armen, Witwen und Waisen der Gemeinde Jeschuas.
In jenen Tagen aber, als die Zahl der Jünger wuchs, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Hilfeleistung übersehen wurden. Da beriefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen, um bei den Tischen zu dienen. Darum, ihr Brüder, seht euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die ein gutes Zeugnis haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind; die wollen wir für diesen Dienst einsetzen, wir aber wollen beständig im Gebet und im Dienst des Wortes bleiben! Und das Wort gefiel der ganzen Menge, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Diese stellten sie vor die Apostel, und sie beteten und legten ihnen die Hände auf. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger mehrte sich sehr in Jerusalem; auch eine große Zahl von Priestern wurde dem Glauben gehorsam.
Apostelgeschichte 6:1-7
Die Diakone übernahmen hier in der Gemeinde sozusagen die Aufgabe der Lewiten, sammelten im Auftrag der Ältesten die Almosen ein und verteilten sie an die Bedürftigen. Doch Paulus forderte die Gemeinde dazu auf, mehr zu tun. So lehrte Paulus auch, dass die Lehrer und Leiter versorgt sein sollten. Vermutlich lehnte er sich mit dieser Lehre auch an die Zehntzahlungen an, die ja Lewiten und Priester mitversorgten. Im Ursprung waren die Priester und Lewiten von Gott dazu berufen, das Volk in seinem Willen zu lehren, weshalb sie ja auch kein Land und somit keinen Verdienst bekamen.
Von Lewi aber sagte er: »Deine Thummim und deine Urim gehören dem Mann, der dir Liebe erweist, den du versucht hast bei Massa, mit dem du gehadert hast am Haderwasser; der von seinem Vater und von seiner Mutter sagt: Ich habe sie nicht gesehen!, und seine Brüder nicht kennt und von seinen Söhnen nichts weiß; denn sie haben dein Wort befolgt und deinen Bund bewahrt. Sie werden Jaakow deine Rechtsbestimmungen lehren und Israel dein Gesetz; sie werden Räucherwerk vor dein Angesicht bringen und Ganzopfer auf deinen Altar.
5.Mose 33:8-10
Wenn also Priester und Lewiten um des Lehrdienstes Willen versorgt wurden, macht es absolut Sinn, dass Paulus deutlich auf diesen Kontext Bezug nahm.
Dies ist meine Verteidigung denen gegenüber, die mich zur Rede stellen: Sind wir nicht berechtigt, zu essen und zu trinken? […] Wenn wir euch die geistlichen Güter gesät haben, ist es etwas Großes, wenn wir von euch diejenigen für den Leib ernten? Wenn andere an diesem Recht über euch Anteil haben, sollten wir es nicht viel eher haben? Aber wir haben uns dieses Rechtes nicht bedient, sondern wir ertragen alles, damit wir dem Evangelium von Christus kein Hindernis bereiten. Wisst ihr nicht, dass die, welche die heiligen Dienste tun, auch vom Heiligtum essen, und dass die, welche am Altar dienen, vom Altar ihren Anteil erhalten? So hat auch der Herr angeordnet, dass die, welche das Evangelium verkündigen, vom Evangelium leben sollen.
1.Korinther 9:4-14
Wir sehen hier, dass Paulus nicht proaktiv selber Geld für sich verlangte oder seinen Predigtdienst nur gegen Vorkasse anbot. Aber Paulus war das Thema wichtig und er mahnte die Gemeinde deshalb eindringlich, nicht nur Armen, Witwen und Waisen, sondern eben auch ihre Lehrer aus freien Stücken mit zu versorgen.
Einer trage des anderen Lasten, und so sollt ihr das Gesetz des Gesalbten erfüllen! Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst. Jeder aber prüfe sein eigenes Werk, und dann wird er für sich selbst den Ruhm haben und nicht für einen anderen; denn jeder Einzelne wird seine eigene Bürde zu tragen haben. Wer im Wort unterrichtet wird, der gebe dem, der ihn unterrichtet, Anteil an allen Gütern! Irrt euch nicht: Gott lässt sich nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten.
Galater 6:2-7
Diese Verse sagen nicht aus, dass Älteste, DIakone, Lehrer usw. stupide durchgefüttert werden sollen, aber dass ihr Dienst auch eine Form der Arbeit ist und entsprechende Anerkennung verdient.
Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre wertgeachtet werden, besonders die, welche im Wort und in der Lehre arbeiten. Denn die Schrift sagt: »Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er drischt!«, und »Der Arbeiter ist seines Lohnes wert«.
1.Timotheus 5:17-18
Diese Verse bezeugen, dass das Almosengeben an die Armen, Witwen und Waisen, sowie die finanzielle oder materielle Unterstützung der Diener des Wortes wesentliche Bestandteile eines lebendigen Glaubens sind. Es ist nicht das Almosengeben an sich, das uns rettet – die Rettung geschieht allein durch das Opfer von Jeschua –, aber es ist ein unabdingbarer Ausdruck unseres Glaubens, der in Taten sichtbar wird. Zwar sagt uns die Schrift, dass niemand allein durch Almosen errettet wird, wie wir bereits festgestellt haben, doch zeigt die Bibel die enorme Relevanz des Themas. Lebendiger Glaube resultiert grundsätzlich aus unseren Werken.
Was hilft es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann ihn denn dieser Glaube retten? Wenn nun ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und es ihnen an der täglichen Nahrung fehlt, und jemand von euch würde zu ihnen sagen: Geht hin in Frieden, wärmt und sättigt euch!, aber ihr würdet ihnen nicht geben, was zur Befriedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse erforderlich ist, was würde das helfen? So ist es auch mit dem Glauben: Wenn er keine Werke hat, so ist er an und für sich tot.[…]Siehst du, dass der Glaube zusammen mit seinen Werken wirksam war und dass der Glaube durch die Werke vollkommen wurde?[…]So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein.[…]Denn gleichwie der Leib ohne Geist tot ist, also ist auch der Glaube ohne die Werke tot.
Jakobus 2:16-26
Was bedeutet das konkret für uns heute? Während ich diese Predigt geschrieben habe, musste ich beispielsweise darüber Buße tun, dass ich in der Vergangenheut manchen Menschen gegenüber hartherzig war. Oft gibt es Menschen an Bahnhöfen, auf Plätzen oder anderswo, die einen anbetteln. Doch oft, wenn diese Personen bspw. offensichtlich Drogenabhängige sind, habe ich solchen Bettlern kein Geld gegeben, mir aber auch nicht die Zeit genommen, ihnen Essen zu kaufen. Natürlich ist meine erste Pflicht, meinen Geschwistern zu helfen, doch sind gerade solche Momente, wo glaubensferne Personen und ansprechen und um Geld bitten, wertvolle Momente, die wir zum guten Zeugnis nutzen können. Wir können solchen Menschen, die von vielen mit Ablehnung bestraft werden, mit Liebe begegnen, ihnen Essen kaufen oder in ein Restaurant einladen, um die gemeinsame Zeit für Gespräche zu nutzen, die womöglich wichtiger als die physische Nahrungsaufnahme sind.
Dahingehend möchte ich jeden Leser dazu ermutigen, solche Momente zu nutzen, wenn irgendwelche „verlotterten Penner“ um Geld bitten.
Was bedeutet es auch für unsere Gemeinschaft heute? Zusammenfassend zeigt uns das biblische Fest Purim also, dass wahre Festfreude untrennbar mit der praktischen Nächstenliebe verbunden ist. Esther und Mordechai haben uns gelehrt, dass Gott in den dunkelsten Zeiten eingreift und dass der Glaube an seine Führung uns zur Rettung führen kann. Doch ebenso wichtig ist, dass wir unsere Mitmenschen unterstützen – sei es durch das Geben von Almosen oder durch die Unterstützung der Diener des Wortes. Nur wenn alle – ob arm oder reich – die nötige Mittel haben, kann wahre Freude entstehen.
Wer sich über den Armen erbarmt, der leiht JHWH, und Er wird ihm seine Wohltat vergelten.
Sprüche 19:17
Marana tha – unser Herr kommt! Hallelujah – gelobt sei Jah!
Danke, YHWH segne Deinen Dienst.🙌🏻🕊️
Shabbat Shalom 🙌🏻🕊️
MARANATHA 💪🏻
Schalom und Gottes Segen, vielen Dank für die Rückmeldung 🙂