PARASCHA: die messianische Wochenlesung

In der jüdischen Tradition ist es üblich, die Tora in einem jährlichen oder einem dreijährigen Zyklus zu lesen. Dieser Lesezyklus beginnt bei den meisten Juden für gewöhnlich mit dem rabbanitischen Fest von „Simchat Tora“, was zu Deutsch „Freude der Tora“ bedeutet, oder alternativ nach dem Ende vom biblischen Fest „Sukkot“, dass auch als „Laubhüttenfest“ bekannt ist. Die wöchentlichen Leseabschnitte der Tora nennen sich „Parascha“ (plural: „Paraschot“) und werden traditionell von der Lesung aus prophetischen und geschichtlichen Schriften „Haftara“ (plural: „Haftarot“) begleitet. Je nach Tradition kommen dann noch weitere Schriften, bspw. Psalmen dazu.

In der messianisch-jüdischen Tradition ist es außerdem üblich, passende Verse aus der „Brit Chadascha“, dem neuen Testament hinzuzufügen. Teilweise kommen dann auch noch Abschnitte aus den Apokryphen dazu.

Aus der biblischen Tradition wissen wir, dass im Ursprung die Tora in einem siebenjährigen Zyklus, beginnend mit dem Schabbatjahr, gelesen, gelehrt und gelernt wurde.

Und Mosche schrieb dieses Gesetz auf und gab es den Priestern, den Söhnen Lewis, welche die Bundeslade JHWHs trugen, und allen Ältesten von Jisrael. Und Mosche gebot ihnen und sprach: Nach Verlauf von sieben Jahren, zur Zeit des Erlassjahres, am Fest der Hütten, wenn ganz Jisrael kommt, um vor JHWH deinem Gott, zu erscheinen an dem Ort, den er erwählen wird, sollst du dieses Gesetz vor ganz Jisrael lesen, vor ihren Ohren. Versammle das Volk, Männer und Weiber und Kinder, auch deinen Fremdling, der in deinen Toren ist, damit sie es hören und lernen, damit sie JHWH, euren Gott, fürchten und darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu befolgen. Und ihre Kinder, die es noch nicht kennen, sollen es auch hören, damit sie JHWH, euren Gott, fürchten lernen alle Tage, die ihr in dem Land lebt, in das ihr über den Jordan zieht, um es in Besitz zu nehmen.

(5.Mose 31:9-13)

Aus der rabbanitischen Tradition wissen wir, dass die Parascha später in einem dreijährigen Zyklus existierte und spätestens zur Zeit der „Galut“, der Zerstreuung der Juden nach der Zerstörung des zweiten Tempels, in einen einjährigen Zyklus geändert wurde. Traditionell beginnt dieser einjährige Zyklus stets zum rabbanitischen Fest „Simchat Tora“, bzw. zur Zeit von „Sukkot“.

Und JHWH redete zu Mosche und sprach: Rede zu den Kindern Israels und sprich: Am fünfzehnten Tag dieses siebten Monats soll JHWH das Fest der Hütten gefeiert werden, sieben Tage lang. Am ersten Tag ist eine heilige Versammlung; da sollt ihr keine Werktagsarbeit verrichten. […] Das sind die Feste JHWH, zu denen ihr heilige Versammlungen einberufen sollt, […] zusätzlich zu den Schabbaten JHWHs […] So sollt ihr nun am fünfzehnten Tag des siebten Monats, wenn ihr den Ertrag des Landes eingebracht habt, das Fest JHWH halten, sieben Tage lang; am ersten Tag ist ein Feiertag und am achten Tag ist auch ein Feiertag. […] Und so sollt ihr JHWH das Fest halten, sieben Tage lang im Jahr. Das soll eine ewige Ordnung sein für eure künftigen Geschlechter, dass ihr dieses im siebten Monat feiert. […] Und Mosche verkündete den Kindern Jisraels die Feste JHWHs.

(3.Mose 23:33-44) 

Einige beginnen die Parascha auch zum 1.Abib, bekannt als 1.Nisan oder zum Pessachfest, da dann das biblisch neue Jahr beginnt, wie wir aus der Tora entnehmen können.

Und JHWH redete zu Mosche und Aharon im Land Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein.

(2.Mose 12:1-2)

Das regelmäßige Torastudium durch die Paraschot diente laut Tradition dazu, dass die Juden im babylonischen Exil Gottes Wort lernten und nicht vergaßen. Da später unter der griechischen Herrschaft das Torastudium auf den Tod verboten wurde, haben die Gelehrten laut Tradition den Lesezyklus der Haftarot aus den prophetischen und geschichtlichen Schriften hinzugefügt. So konnten die Juden weiter die Gebote Gottes lernen, ohne aber Tora zu studieren.

Überprüfbar ist diese Entstehungsgeschichte nicht, aber sehr wahrscheinlich. Es könnte aber auch sein, dass die Tradition von Parascha und Haftara erst später eingeführt wurden und eine Legende entworfen wurde. Diese Praxis hat sich jedenfalls bis heute gehalten und auch zur Zeit Jeschuas und der Apostel war diese Praxis bekannt und wurde praktiziert.

Und er kam nach Nazareth, wo er erzogen worden war, und ging nach seiner Gewohnheit am Schabbat in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen. Und es wurde ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja gegeben; […]

(Lukas 4:16-17)

Denn Mosche hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn verkündigen, da er in den Synagogen an jedem Schabbat vorgelesen wird.

(Apostelgeschichte 15:21)

Grundsätzlich ist es wichtig, dass jeder weiß, dass die Paraschot und Haftarot, wie wir sie heute kennen, eine jüdische Erfindung ist. Nirgendwo lesen wir in der Bibel, dass wir die Bibel in exakt diesem Lesezyklus lesen müssen. Die Paraschot sind ein Werkzeug, dass uns helfen kann, die Bibel in einem wöchentlichen Zyklus systematisch zu studieren.

Der Begriff „Parascha“ (פרשה) heißt „Einteilung“ oder „Absonderung“, Haftara (הפטרה) heist „Abschluss“ oder „Verabschiedung“. Außerdem gibt es bspw. noch traditionell Lesungen wie „Maftir“ (מפטיר), was auch „Abschluss“ heißt, welche nach der Haftara noch gelesen werden kann.

Brit Chadascha heißt „erneuerter Bund“, Sifrei Emet sind die „Bücher der Wahrheit“ und „Sifrei Nistarim“ sind die „versteckten Bücher“ was das hebräische Synonym für das altgriechische „Apokryphe“ ist, welche manchmal eine gute Ergänzung in Bezug auf historisch-kulturellen, aber auch theologischen Kontext bieten.

Der Name der Parascha ist meist einfach aus dem ersten Wort bzw. den ersten Wörter des biblischen Textes erstellt wird. Dieser Name ändert sich also wöchentlich und lautet dann bspw. „Bereschit“, „Noach“, „Lech Lecha“ usw.

So wie ich den Leseplan bisher veröffentlicht habe, gebe ich grundsätzlich die durch die rabbanitische und karaitische Tradition vorgebene Parascha und Haftara an. Der Unterschied zu anderen Listen ist, dass ich nicht nur die Haftara des weit verbreiteten aschkenasischen, also zentraleuropäischen, oder des ebenso bekannten sefardischen, also spanischen Ritus Teile, sondern auch die Haftarot der romaniotischen, jemenitischen und anderen, sowie, wie bereits erwähnt, der karaitischen Strömungen veröffentliche. Alle anderen Schriften habe ich nach eigenem ermessen der Liste hinzugefügt. Hierfür habe ich gewisse Schlagworte oder Themen, die mit der Parascha korrespondieren, ausgewählt und verwendet.

Ich kenne sowohl Gläubige, die den heute üblichen einjährigen, als auch andere, die den dreijährigen oder sogar siebenjährigen Zyklus verwenden. Ebenso kenne ich Gläubige, die entweder zu Sukkot oder zu Pessach mit dem Zyklus beginnen. Da die Tora uns hier nicht explizit sagt, wie wir im Alltag die Tora studieren sollen, ist es in meinen Augen jedem Leser und Lernenden selber überlassen.

Ich habe von 2017 bis 2023 jedes Jahr die Parascha im jährlichen Zyklus gelesen. Mir hat es enorm geholfen, sechs Jahre lang die Bibel so zu studieren. Ich habe viel gelernt, habe mehrmals die Tora mit einem sehr jüdisch-rabbanitischen, messianisch-jüdischen und auch jüdisch-karaitischen Blick studiert und dabei ein eigenes, biblisches Profil entwickeln dürfen. Die wöchentliche Lesung mit Geschwistern führt dazu, dass man gemeinsam geschliffen wird und jedes Jahr neue Impulse und Erkenntnisse erhält.

Zu Sukkot 2023 hat sich meine Ortsgemeinde dazu entschlossen, die Parascha nicht mehr im einjährigen Zyklus zu lesen. Wir haben stattdessen einen abgewandelten, dreijährigen Zyklus nach Sukkot 2023 begonnen, bei dem wir wöchentlich nur noch ein Kapitel aus der Tora lesen. Zusätzlich lesen wir als Gemeinde wöchentlich noch Abschnitte aus dem Rest des alten und neuen Testament, so dass wir idealerweile die gesamte Bibel intensiv in drei Jahren als gesamte Gemeinde studiert haben. Auch diese Art des Studiums birgt viele neue Aspekte, die ich größtenteils als Vorteile betrachte.

Ich möchte jeden ermutigen, die Paraschot zu lesen oder einen anderen Bibelleseplan zu nutzen, um sich gemeinsam in der Familie, mit Geschwistern oder sogar der ganzen Gemeinde in der Schrift zu vertiefen.

Wer die Parascha nutzen möchte, um die Tora zu studieren, findet Artikel zu allen Paraschot unter https://bibel-lernen.de/category/perlen-der-tora/parascha. Viel Spaß beim Lesen und Prüfen.

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