Sieben Tage lang sollt ihr in Laubhütten wohnen; alle Einheimischen in Israel sollen in Laubhütten wohnen,
3.Mose 23:42
Bibeltreue Gläubige, die in unseren Breitengraden leben, kommen bei diesem Vers und der Umsetzung dessen regelmäßig an ihre Grenzen. Oft werden mir fragen gestellt wie z.B.:
- Wie soll ich eine Laubhütte bauen?
- Wie sichere ich meine Laubhütte vor Regen?
- Muss ich in der Laubhütte schlafen?
- Ist das richtig, wie es rabbanitische Juden machen?
- Brauche ich eine Laubhütte, wenn ich nicht in Israel lebe?
Als erstes sollten wir uns den Vers ganz genau ansehen. Wir beginnen mit dem ersten wichtigen Wort: „Laubhütten“. Der hebräische Text (MT) lautet:
.בַּסֻּכֹּת תֵּשְׁבוּ, שִׁבְעַת יָמִים; כָּל-הָאֶזְרָח, בְּיִשְׂרָאֵל, יֵשְׁבוּ, בַּסֻּכֹּת
Das Wort für Laubhütten lautet „Sukkoth“ (סֻּכֹּת), in Einzahl „Sukkah“ (סֻכָּה) und stammt von dem Wort „sakak“ (סָכַךְ) ab. Sakak bedeutet einfach nur „zusammen gewoben“, „zusammenfügen“, „zumachen“, „Verteidigung“, „verteidigen“, „Abdeckung“ oder „abdecken“. Sukkah wiederum bedeutet zunächst einmal nur „Hütte“, „Bude“, „Pavillon“, „Versteck“ oder „Zelte“. Nirgendwo finden wir im Hebräischen Text einen Verweis darauf, dass eine Sukkah wörtlich eine Laubhütte ist. Der einzige Verweis zu Laub in der Bibel finden wir im selben Kapitel:
Ihr sollt aber am ersten Tag Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmenzweige und Zweige von dicht belaubten Bäumen und Bachweiden, und ihr sollt euch sieben Tage lang freuen vor JHWH, eurem Gott.
3.Mose 23:40
In diesem Vers lesen wir, dass gewisse Zweige gesammelt werden sollen, doch nirgendwo lesen wir, dass es geboten ist, dass die Sukkah aus eben diesen Zweigen gebaut sein muss. Der einzige Verweis, der uns zeigt, dass diese Äste mit der Sukkah zu tun haben finden wir in einer späteren Schrift aus der Zeit des ersten Exils in Babylon:
Und so ließen sie es verkünden und in allen ihren Städten und in Jerusalem ausrufen und sagen: Geht hinaus auf die Berge und holt Ölzweige, Zweige vom wilden Ölbaum, Myrtenzweige, Palmzweige und Zweige von dicht belaubten Bäumen, um Laubhütten zu machen, wie es geschrieben steht!
Nehemia 8:15
Jedoch müssen wir feststellen, dass dieser Vers grundsätzlich auch in der Aufzählung der genannten Zweige starke Unterschiede aufzeigt. Unabhängig dieses Unterschiedes sagt dieser Vers auch nicht aus, dass die Sukkoth ausschließlich aus diesen Zweigen bestehen müssen, sondern dass diese Zweige Bestandteil einer Sukkah sein sollen. Wenn wir diese Informationen nun zusammenbringen, stellen wir fest, dass eine Sukkah ein Zelt oder eine Hütte ist, die Schutz bietet. Zusätzlich soll sie offenbar wenigstens mit Zweigen der genannten Bäume dekoriert werden. Erst in pharisäischer und später rabbanitischer Zeit wird durch rabbanitische Schriftgelehrte definiert, dass eine Sukkah zwingend aus Naturmaterialien bestehen muss, dass es drei Seitenwände geben muss, wovon die dritte auch nur eine Hand breit sein darf und dass das Dach aus am Boden wachsenden Materialien bestehen muss, die es möglich machen, durch das Dach die Sterne zu sehen. All diese Anweisungen finden wir in der Bibel und auch in außerkanonischen Büchern wie z.B. dem Buch der Jubiläen nicht. Vielmehr müssen wir feststellen, dass wenigstens die Regel über das Dach offenbar ein Widerspruch zu dem Wort „Sukkah“ ist, da eine Sukkah eigentlich Schutz bieten muss, doch die Dächer von rabbanitischen Sukkoth absolut wasserdurchlässig sind und keinen Schutz bieten. Aufgrund dieses baulichen Mangels, sind rabbanitische Juden durch ihre Lehre auch davon befreit, in einer Sukkah zu sein, wenn das Wetter schlecht ist. Letztlich wird hiermit Gottes Wort aufgehoben.
Um wirklich sicher zu gehen, wollen wir uns auch den griechischen Text (LXX) ansehen:
ἐν σκηναῗς κατοικήσετε ἑπτὰ ἡμέρας πᾶς ὁ αὐτόχθων ἐν Ισραηλ κατοικήσει ἐν σκηναῗς.
Das griechische Äquivalent für Sukkoth lautet „skenais“ (σκηναῗς) und bedeutet wörtlich übersetzt „Zelte“. Genau an dieser Stelle macht auch ein weiterer Vers des selben Kapitels völlig Sinn:
damit eure Nachkommen wissen, dass ich die Kinder Israels in Laubhütten wohnen ließ, als ich sie aus dem Land Ägypten herausführte; ich, JHWH, bin euer Gott.
3.Mose 23:43
Nirgendwo, an keiner Stelle lesen wir, dass Gott JHWH sein Volk in Laubhütten wohnen lies. Semitische Nomaden lebten stets in Zelten, wie wir auch in der Bibel lesen (vgl. 1.Mose 9:21, 12:8, 13:3-12, 18:6-9, 24:67, 26:25, 31:25-34, 33:19 und 35:21). Doch wissen wir sogar, dass die Israeliten definitiv in Zelten lebten:
Das ist aber der Befehl, den JHWH gegeben hat: Jeder soll davon sammeln, so viel er zum Essen benötigt, einen Gomer je Kopf, nach der Zahl eurer Seelen; jeder nehme für die, die in seinem Zelt sind.
2.Mose 16:16
Da ging Mose hinaus, seinem Schwiegervater entgegen, und beugte sich nieder vor ihm und küsste ihn. Und als sie einander gegrüßt hatten, gingen sie in das Zelt.
2.Mose 18:7
Zu diesen zwei Bibelstellen muss ich jedoch hinzufügen, dass nicht das Wort „Sukkah“, sondern das Synonym „ohel“ (אֹהֶל) verwendet wird. Suchen wir das Wort „Sukkah“, finden wir es nur an einer weiteren Stelle außerhalb des Kontextes vom Laubhüttenfest:
Jaakow aber brach auf nach Sukkot und baute sich dort ein Haus und errichtete für seine Herden Hütten; daher wurde der Ort Sukkot genannt.
1.Mose 33:17
Wenn man nun diese Punkte zusammenbringt, ist der Unterschied vermutlich ein kleiner, qualitativer, jedoch nicht sehr bedeutender Unterschied. Sprachlich kann eine Sukkah vieles sein, eine feststehende Hütte, z.B. ein Schuppen oder Stall, oder ein temporärer Unterstand wie ein Zelt oder eine Hütte aus Naturmaterialien. Biblisch betrachtet muss die Sukkah einem Schutz bieten, benötigt also entgegen rabbanitischer Auslegung definitiv ein festes Dach, und sie soll offenbar mit den „vier Arten“ wenigstens geschmückt werden. Wo die Sukkah errichtet werden soll, lesen wir in der Bibel nicht, und während rabbanitische Juden ihre Sukkoth über freien Himmel, im Garten oder auf dem Balkon errichten, bauen die samaritanischen Israeliten sie in ihren Wohnungen auf. Gott scheint hier sehr undogmatisch zu sein und lässt ein gewisses Maß an eigenverantwortlichen Pluralismus zu.
Als zweites sollten wir uns nun den Vers vom Anfang noch einmal ansehen. Das nächste wichtige Wort: „wohnen“. Der hebräische Text (MT) lautet:
.בַּסֻּכֹּת תֵּשְׁבוּ, שִׁבְעַת יָמִים; כָּל-הָאֶזְרָח, בְּיִשְׂרָאֵל, יֵשְׁבוּ, בַּסֻּכֹּת
Das Wort für „wohnen“ lautet im Fließtext „schebu“ (שְׁב֖וּ), welches von dem Wort „jaschab“ (יָשַׁב) stammt. Jaschab bedeutet einfach nur „sitzen“, „verharren“, „verweilen“. Es ist richtig, dass das Wort auch im Kontext einer Siedlung, z.B. „Moschab“ (מוֹשָׁב) verwendet wird, doch müssen wir auch hier wieder einen undogmatischen Pluralismus zulassen. So ist von in der Sukkah „sitzen“ und „verweilen“ bis „wohnen“ im Sinne des „übernachten“ alles möglich. Wenn wir also in Breitengraden leben, die Aufgrund von schlechten und kalten Wetterbedingungen ein Camping-Urlaub nicht zulassen, ist es biblisch völlig legitim in einer Sukkah, die draußen steht, auch nur zu verweilen und bspw. wie rabbanitische Juden nur eine Mahlzeit darin einzunehmen. Gerade Familien mit kleinen Kindern können sich also beruhigen, denn letztlich könnt ihr auch in eurem Wohnzimmer eine Sukkah bauen und auf dem Matratzenlager übernachten, oder eben einfach nur eine Mahlzeit auf der überdachten Terasse einnehmen, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt. Gott ist ein Gott der Gnade und ein Gott der Möglichkeiten.
Als drittes sollten wir uns im ursprünglichen Vers ein weiteren Abschnitt ansehen: „alle Einheimischen in Israel“. Der hebräische Text (MT) lautet:
.בַּסֻּכֹּת תֵּשְׁבוּ, שִׁבְעַת יָמִים; כָּל-הָאֶזְרָח, בְּיִשְׂרָאֵל, יֵשְׁבוּ, בַּסֻּכֹּת
Manche Bibel übersetzen diesen Satz mit „alle Einheimischen in Israel“ oder „alle die in Israel geboren sind“, doch tatsächlich steht dies so nicht wörtlich. Genau genommen müsste man es mit „alle gebürtigen Israeliten“ übersetzen. Dies bedeutet nicht, dass der Israelit im Israel geboren wurde, sondern in das Volk Israel hineingeboren ist. Somit gilt dieses Gebot, das Fest zu feiern, die Zweige zu sammeln und eine Sukkah zu errichten, in der man sich niederlässt, nicht nur für Personen in Israel oder Personen, die in Israel geboren wurden. Dieses Fest gilt allen Israeliten, allen Gläubigen, die sich Gott und seinem Volk zugehörig fühlen. Genau das ist es, was Gott möchte, dass jeder, auch die Gläubigen aus den Nationen und die verlorenen Schafe des Hauses Israel, die unter den Nationen verstreut sind, dieses Fest feiern:
Und es wird geschehen, dass alle Übriggebliebenen von all den Heidenvölkern, die gegen Jerusalem gezogen sind, Jahr für Jahr heraufkommen werden, um den König, JHWH der Heerscharen, anzubeten und das Laubhüttenfest zu feiern.
Sacharja 14:16
Doch kommen wir nun noch zuletzt zu den verschiedenen Zweigen aus 3.Mose 23:40. Diese so genannten „vier Arten“, die wir in der Bibel finden sind laut der meisten Übersetzer:
- Früchte von schönen Bäumen
- Palmenzweige
- Zweige von dicht belaubten Bäumen
- Zweige von Bachweiden.
Dies können wir zwar in Deutschland alles bekommen, allerdings wurde dies nicht korrekt übersetzt. Wenn wir direkt in eine hebräische Bibel schauen, lauten die vier Arten ganz anders:
- eine Frucht vom Baum Hadar
- Dattelpalmzweige
- Zweige vom Baum Abot
- Zweige von Bachweiden.
Hadar ist ein Baum, der Zitrusfrüchte trägt, welche im Judentum als „Etrog“ definiert werden, ursprünglich aber entweder alle Zitronatzitronen oder alle Zitrusfrüchte einschloss. Dattelpalmzweige kann man mit etwas Glück im botanischen Garten bekommen, der Abot ist eine Myrte, die es in Deutschland nicht gibt und das Einzige, was sich problemlos beschaffen lässt, ist ein Ast der Bachweide. Hier in Deutschland gibt es die Möglichkeit diese vier Arten über die örtlichen Synagogen oder die orthodoxe Rabbinerkonferenz (ORD) zu erwerben. Ich halte dies tatsächlich auch für sehr sinnvoll, sofern man die Finanzen dafür übrig hat, da Gott in dieser Sache sehr genau formuliert hat, was gesammelt werden soll. Jeder, der keinen Zugang zu den vier Arten hat, sollte sich keinesfalls entmutigen lassen. In Nehemia 8:15 bezeugt uns die Bibel, dass damals im babylonischen Exil auch andere Früchte und Zweige genutzt wurden. Da wir auch heute in der Diaspora, also außerhalb von Israel leben, halte ich es für absolut legitim, diesen Beispiel zu folgen und alternativ andere Früchte und Zweige zu sammeln und zu Sukkoth zu nutzen.
Lustige Nebeninformation, falls ihr eine Beschäftigung für die Festwoche sucht: Im außerbiblischen Buch Jubiläen 16:30 liest man, dass es anscheinend üblich war, sich einen Kranz aus den Zweigen zu binden und auf den Kopf zu legen. Vielleicht hat ja jemand Lust, das auch auszuprobieren.
In diesem Sinne wünsche ich allen Feiernden noch eine erfolgreiche Vorbereitung auf das „Fest der Hütten“.
Herzlichen Dank für den Beitrag über das Laubhüttenfest oder die Laubhütte. Seit mehreren Jahren baue ich jeweils eine Laubhütte aus Weiden und schmücke sie mit Früchten und Blumen, die bei uns wachsen. Shalom Hanna